Gedenken an die Befreiung des KZ Dachau

Vom 2. bis 3. Mai nahm eine aus Jugendlichen und Erwachsenen bestehende Delegation des Dokumentationszentrums an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau teil. Mit auf dem Programm stand ein Besuch des kurz zuvor eröffneten NS-Dokumentationszentrums in München.

Sevin Begovic – „Dachau“:

„Eine Fotografie kann niemals die Intensität einer Landschaft erfassen, die Größe, der Geruch, die Geräusche, kurz gesagt das Foto kommt nicht an das Erleben ran. Genauso verhält es sich wohl auch mit der Intensität einer Epoche, die ein Geschichtsbuch oder eine konzipierte Rede nicht in Worte fassen kann.

29. April 1945: das Konzentrationslager Dachau wird durch amerikanische Truppen befreit. Die Bilder, die sich den Soldaten boten, wie der Todeszug oder der Leichenraum des Krematoriums, kann wohl kein Mensch nachempfinden, der nicht dort war. 70. Jahrestag der Befreiung, der demokratische Apparat Deutschland fährt sein schwerstes Geschütz auf, die Bundeskanzlerin hält eine Rede. Selbstredend traf sie das ein oder andere richtige Wort, doch blieb Vieles ungesagt. Trotz des vergangenen Menschenalters gibt es im Jahr 2015 – ob von Glück die Rede sein kann, da man es am liebsten ungeschehen machen würde – noch Zeitzeugen. Ob sie wollen oder nicht, sie haben diese bestialischen Bilder und Taten im Kopf, weswegen ihre Reden die einzig authentischen waren. Das Konzentrationslager zeigt viele Wunder der Menschheit, sowohl den Abgrund als auch den Gipfel. Umso tiefer man in den Abgrund rutscht, desto höher blickt man hinauf. Abgründig waren die Taten und das systematische Töten von Menschen, Individuen mit einer Geschichte, bis ihre Geschichte für immer durch die des KZs ausgetauscht wurde. Und dennoch vollzieht sich ein Wunder nach dem KZ – trotz des Ungeheuers, das Überlebende sahen, verloren sie nicht ihren Glauben an die Menschheit, im Gegenteil. Bewegend war es, als einer der Zeitzeugen die Nationalsozialisten immer noch als Menschen ansah, die ihre Kinder liebten. Es entzieht sich meiner persönlichen Vorstellungskraft Nazis als Menschen anzusehen, doch das macht wohl Toleranz aus, auch Intolerante zu tolerieren.

Zeitzeugen erlebten die Geschehnisse und das war ihr Antrieb den Holocaust aufzuarbeiten. Doch leider gilt dies nicht für alle ins KZ deportierte Minderheiten, die jüdische wurde wohl am 70. Jahrestag zur Mehrheit. Umso trauriger ist es, festzustellen, dass der Antiziganismus in Deutschland noch heute Bestand hat. Nicht einmal Microsoft Word kennt das Wort. Gegen die antisemitischen Attacken polemisierte die Kanzlerin, indem sie ihn mit Antiislamismus ersetzte. Sie schenkte ihre Trauer nicht nur den KZ-Opfern, sondern auch den kürzlich Gefallenen der antisemitischen Attacken. Kein Wort verlor sie jedoch über Antiziganismus, der heutzutage der selbe ist, nur in einer anderen Dimension. Damals gab es Barracken und Zigeunerlager um dort ermordet zu werden, ganze Zigeunerghettos. Jedenfalls sollten Roma und Sinti unter sich bleiben und sich nicht vermischen. Ich frage mich wo nun der Unterschied liegen soll, wenn Roma und Sinti in Barracken-ähnliche Asylantenheime gesteckt werden, die teilweise in Brand gesteckt werden, und sich erneut Ghettos bilden.

Welche Worte bleiben einem auch angesichts der Unmenschlichkeit dieses Ortes? Vielleicht das überlieferte Wort Gottes, vielleicht auch nicht, immerhin reicht ein Gotteshaus auf dem Gelände nicht, es sind drei an der Zahl. Nicht viel kann man zu einem Konzentrationslager sagen, denn man müsste das Ungesagte zeigen können.“

Es handelt sich hier um die Privatmeinung des Autors. Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma macht sich dessen Aussagen nicht zu eigen.