Im Frühjahr und Sommer des Jahres 2009 erarbeiteten zwei Schülergruppen der Mannheimer Humboldt Realschule unter Anleitung des Referats Dialog und betreut durch ihre Lehrerin Dorothea Müller zwei Biografien für das Gedächtnisbuch der Häftlinge im KZ Dachau.
Im März 1933, errichteten die Nationalsozialisten in Dachau bei München ihr „Modell-Konzentrationslager“. Mit der einheitlichen Häftlingskleidung, der Vergabe von Nummern und dem Kahlrasieren der Köpfe sollte den Menschen jegliche Individualität genommen werden. Am 29. April 1945 wurde das Konzentrationslager von der US-Armee befreit. Von den rund 200.000 Häftlingen aus annähernd 30 Nationen starben etwa 32.000. Im Jahr 1999 wurde das „Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“ als fortlaufend erweiterbare Sammlung initiiert. Schüler, Studenten und interessierte Erwachsene wollen darin mit ihren Beiträgen die persönlichen Schicksale hinter den anonymen Häftlingsnummern der Lagerverwaltung sichtbar werden lassen. Derzeit umfasst das Gedächtnisbuch über 100 Biografien in verschiedenen Sprachen. Es liegt in den Räumen der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der Gedenkstätte für alle Besucher einsehbar aus.
Das Gedächtnisbuchprojekt wird getragen vom Dachauer Forum e.V., dem Jugendgästehaus Dachau, der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, dem Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau e.V. sowie der Katholischen Seelsorge/Bischöflicher Beauftragter für KZ-Gedenkstättenarbeit in der Erzdiözese München und Freising. Im Jahr 2009 wurde das Gedächtnisbuchprojekt vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ im bundesweiten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2008“ für sein vorbildliches, nachahmenswertes und zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet.
Die aus dem Gedächtnisbuch entstandene internationale Ausstellung „Namen statt Nummern“ stellt mit Fotos, Dokumenten und Zitaten exemplarisch 22 Häftlings-Biografien vor. Sie war im Herbst 2008 im Heidelberger Dokumentationszentrum zu sehen und regte die Mannheimer Schülerinnen und Schüler an, weitere Beiträge für das Gedächtnisbuch zu verfassen. Jessica Bero da Silva, Marvin Heinz und Riccardo Passaniti erarbeiteten die Biografie des luxemburgischen politischen Häftlings Ernest Gillen, Michela Pasini, Simona Piazza und Jaqueline Kasparek die Biografie des nach Dachau deportierten Sintos Karl Pasquali. Die Schüler*innen werteten dazu Archivunterlagen u.a. aus der Sammlung des Dokumentationszentrums sowie der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen aus. Weitere Recherchen führten sogar bis nach Luxemburg, wo der Historiker Steve Kayser zahlreiche Informationen und Materialien zur Biografie von Ernest Gillen zur Verfügung stellte. Beide Biografien wurden am 22. März 2010 offiziell im Rahmen einer Feierstunde in der KZ-Gedenkstätte Dachau in das Gedächtnisbuch aufgenommen. Die Schüler der Gruppe zur Biografie von Ernest Gillen stellten dabei ihre persönlichen Eindrücke während ihrer Recherchearbeiten den rund 100 geladenen Gästen vor.