Wir trauern um Gertrud Roché, geborene Lauenburger, die in der Nacht vom 11. auf den 12. April im Alter von 92 Jahren in Ingolstadt verstorben ist. Sie war dem Dokumentations- und Kulturzentrum und dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma immer eng verbunden und begleitete unsere Delegationen zur internationalen Gedenkfeier nach Auschwitz-Birkenau am 2. August über viele Jahre.
Gertrud Roché wurde am 15. Januar 1929 im heutigen Polen geboren. Nach der Inhaftierung ihres Vaters Karl Lauenburger im Konzentrationslager Dachau tauchte die Mutter Anna Arwey mit den weiteren Kindern 1938 unter. Die Familie wurde jedoch entdeckt und Gertrud Lauenburger mit ihren Schwestern in das Kinderheim Klosterbrück bei Oppeln zwangseingewiesen, wo sie zunächst die Mittelschule besuchen konnte. Im Gefolge des „Auschwitz-Erlasses“ vom 16. Dezember 1942 wurde Gertrud Roché am 9. März 1943 aus der Schule heraus mit ihren Schwestern inhaftiert und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort traf sie wieder auf ihre Mutter und weitere Geschwister.
In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden in Auschwitz-Birkenau etwa 4.300 Sinti und Roma in den Gaskammern ermordet, darunter auch Gertrud Rochés Mutter, ihre Tanten, Onkel und ihre jüngeren Geschwister. Gertrud Roché überlebte, da sie nach Selektionen durch die SS als „arbeitsfähig“ eingestuft und im Juli 1944 ins Konzentrationslager Ravensbrück verlegt wurde, von wo sie im Winter 1944 in das Außenlager Retzow-Rechlin. Von dort brachte sie die SS ins Außenlager Hamburg-Langenhorn (Ochsenzoll) des KZ Neuengamme, wo sie Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion leisten musste. In einem anderen Außenlager des KZ Neuengamme, Hamburg-Sasel, wurde die gerade 16 jährige Gertrud Roché zu schwerster Zwangsarbeit herangezogen, wobei sie schwerste gesundheitliche Schäden erlitt. In Hamburg-Sasel wurde sie am 6. Mai 1945 durch britische Truppen befreit.
Romani Rose würdigte Gertrud Roché mit folgenden Worten:
„Ich bedauere es zutiefst, dass wir nun Abschied von Gertrud Roché nehmen müssen. Mit ihrem Tod verlieren wir erneut eine ganz besondere Persönlichkeit unter den Sinti. Ihre Verdienste bestanden darin, dass sie die Erfahrungen ihrer leidvollen Verfolgungsgeschichte vor allen Dingen an die junge Generation von Sinti und Roma weitergegeben hat. Es hatte sie sehr viel Überwindung gekostet an den Ort ihres Leids, nach Auschwitz-Birkenau, zurückzugehen, an dem sie viele Angehörige, darunter ihre Mutter, verloren hat. Sie sagt aber zu mir, dass der Besuch von Auschwitz es ihr ermöglicht habe, Abschied zu nehmen von ihren Angehörigen, und dass sie für sich einen Neuanfang gefunden habe.„
Wir werden Gertrud Roché ein ehrendes Andenken bewahren.