Datum
16.05.2024
18:00 - 19:00 Uhr
Veranstaltungsort
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
Bremeneckgasse 2
69117 Heidelberg
Am 16. Mai 1940 verschleppten NS-Schergen hunderte Sinti aus ganz Südwestdeutschland – darunter auch Familien der Minderheit aus Heidelberg. Drei Tage später begann die Deportation der Kinder, Frauen und Männer in die Gettos und Konzentrationslager im besetzten Polen. Vor ihren ehemaligen Wohnungen in der Steingasse, der Kleinen Mantelgasse und der Pfaffengasse wird vom Schicksal der Familien erzählt.
Die Bürgerrechtlerin Ilona Lagrene hat viele Jahre den Rundgang durch die Altstadt auf den Spuren der Heidelberger Sinti organisiert und über das Leben, die Ausgrenzung und Verfolgung der Minderheit informiert. Im November 2023 ist die herzliche Sintezza leider verstorben. Ihre Tochter und ihr Enkel setzen die Tradition in Erinnerung an Ilona Lagrene fort.
Treffpunkt im Innenhof des Dokumentations- und Kulturzentrums.
Eintritt frei.
Sinti in Heidelberg
In den kleinen Häusern der Altstadt waren schon seit langer Zeit zahlreiche Sinti-Familien zu Hause, sie gingen von dort ihrer Arbeit nach und verdienten ihren Lebensunterhalt als Händler und Handwerker. Die meisten Männer hatten bereits im Ersten Weltkrieg und später auch im Zweiten Weltkrieg für Deutschland gekämpft. „Nicht wenige von ihnen haben als Frontkämpfer hohe Auszeichnungen erhalten“, sagt die Bürgerrechtsaktivistin Ilona Lagrene. Sie selbst kam nach dem Zweiten Weltkrieg zur Welt und wuchs in unmittelbarer Nähe des Geburtshauses von Friedrich Ebert auf. Aus ihrer Familie kehrten über 20 Angehörige nicht aus den Vernichtungslagern zurück, beinahe ebenso viele litten Zeit ihres Lebens unter den Folgen der bestialischen Menschenversuche der Nationalsozialisten.
Vertreibung
Die systematische Vertreibung der Minderheit aus Heidelberg begann bereits Mitte der 1930er Jahre. Im Sommer 1935 wurde aus einer zunächst gegen eine Sinti-Familie gerichteten Einzelaktion eine allgemeine Vertreibungsmaßnahme für das gesamte Stadtgebiet. Der Versuch der städtischen Behörden, die vorher erfassten Heidelberger Sinti-Familien zwangsweise abzuschieben, scheiterte an der fehlenden gesetzlichen Grundlage. Übrig blieb, den Druck sowohl wirtschaftlich als auch sozial zu steigern, in der Hoffnung, durch den Entzug der Erwerbsgrundlage und die drangsalierenden Kontrollmaßnahmen würden die Sinti aus Heidelberg weg ziehen. Tatsächlich zogen von den im Sommer 1935 in Heidelberg lebenden Sinti-Familien die meisten bis Mitte 1936 nach Ludwigshafen.
Deportation
Am 16. Mai 1940 wurden in ganz Deutschland insgesamt 2.500 Sinti und Roma verhaftet. Unter den 61 in Ludwigshafen festgenommen Sinti kamen 19 Personen aus Heidelberger Familien. Sie alle wurden in provisorisch eingerichtete Sammellager gebracht. Von dort aus wurden sie nur wenige Tage später mit Zügen in die Ghettos und Konzentrationslager im besetzten Polen deportiert. Für die Mehrzahl der deportierten Männer, Frauen und Kinder war es eine Fahrt in den Tod.