Heidelberg, 28. April 2021 | Heute wurde zum siebten Mal der Europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma in Erinnerung an Vinzenz und Oskar Rose verliehen. Preisträgerin ist Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Der Bürgerrechtspreis wird vergeben vom Dokumentations- und Kulturzentrum und dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie der Manfred Lautenschläger-Stiftung und ist mit 15 000 Euro dotiert. Die Laudatio auf die Bundeskanzlerin hielt der ehemalige Staatspräsident der Slowakei und Preisträger des Jahres 2019 Andrej Kiska.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel forderte in ihrer Dankesrede ein entschiedenes Eintreten gegen jede Form von Antiziganismus:
„Der Europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma ist weit mehr als eine persönliche Würdigung. Der Preis ist mit einer klaren Botschaft verbunden. Wir alle sind dazu aufgerufen, uns für Bürgerrechte und Chancengleichheit für Sinti und Roma stark zu machen. Wir alle sind gefordert, uns gegen jede Form von Antiziganismus zu wenden – hierzulande und in ganz Europa.“
Die Bundeskanzlerin wurde ausgezeichnet, weil sie sich seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2005 in besonderer Weise dafür eingesetzt hat, dass nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust an den 500.000 Sinti und Roma im NS-besetzten Europa die Rechte der Minderheit und ihre über 600-jährige Geschichte in Deutschland und Europa bewusster wahrgenommen werden. Der Preis wurde überreicht von seinem Stifter Dr. h.c. Manfred Lautenschläger und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose.
Die Laudatio auf die Bundeskanzlerin hielt der Preisträger des Jahres 2019, der ehemalige Staatspräsident der Slowakischen Republik Andrej Kiska. Darin sagte er:
„Wir alle wissen, wie viel Entschlossenheit und Tatendrang Sie in den letzten Jahren in Ihre Bemühungen investiert haben, der deutschen Gesellschaft die Erinnerung an die tragische Vergangenheit zu vermitteln und sich um eine bessere Zukunft der Roma zu kümmern. Und das nicht nur in Ihrem Heimatland, denn wie Sie zu Recht sagen, ist es sowohl ‚eine deutsche als auch eine europäische Aufgabe‘. Ja, in der Tat, Roma Lives Matter.“
Romani Rose würdigte in einer Gesprächsrunde das Engagement der Bundeskanzlerin für die Minderheit der deutschen Sinti und Roma:
„Es war immer ein Anliegen der Bundeskanzlerin auch die 600-jährige Geschichte unserer Minderheit in Deutschland in das historische Gedenken mit aufzunehmen. 2012 hat sie mit mir das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma der Öffentlichkeit übergeben und darüber hinaus auch deutlich gemacht, dass die Bekämpfung des Antiziganismus für uns eine gemeinsame Aufgabe ist. Ihre Regierung hat 2019 eine Kommission berufen, die sich mit dem Antiziganismus auseinandersetzt und der Bundesregierung Empfehlungen gibt, um diesen Antiziganismus – der für viele Sinti und Roma die Ursache ist für Pogrome, für Übergriffe, für Rassismus, der uns in der Geschichte ausgrenzt – entgegenzuwirken.“
Der Preisstifter Manfred Lautenschläger hob neben Angela Merkels Wirken für die Minderheit der Sinti und Roma ihr Engagement für ein einiges Europa hervor:
„Deutschland hat nach den Verbrechen der Nationalsozialisten eine besondere Verantwortung aus der Geschichte auch gegenüber dieser Minderheit. Es hat daher die Pflicht, seinen Einfluss geltend zu machen, wenn Menschen diskriminiert und rassistisch ausgegrenzt werden, wie dies zum Beispiel in den Ländern Südost- und Mitteleuropas der Fall ist. Die Auszeichnung einer so großen und wahrhaftigen Europäerin und Demokratin wie Angela Merkel mit dem Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma ist ein wichtiges Zeichen, das mit Sicherheit von vielen Menschen in Deutschland und in Europa begrüßt werden wird. Die Bundeskanzlerin wird ausgezeichnet aufgrund ihres besonderen Einsatzes für die Minderheit der Sinti und Roma, für die Menschenrechte und die Einigkeit der europäischen Wertegemeinschaft.“
Wichtige Meilensteine der Bürgerrechtsarbeit des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma konnten unter der Kanzlerschaft und mit persönlicher Unterstützung von Angela Merkel realisiert werden. Die Übergabe des nationalen Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma durch sie im Jahr 2012 in Berlin in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes, war ein wichtiges politisches Zeichen auch in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit der Übergabe hat Angela Merkel ein weltweit beachtetes Zeichen gesetzt, dass der Antiziganismus genauso geächtet werden muss, wie der Antisemitismus. Die im Dezember 2018 von Bund und Ländern unterzeichnete „Bund-Länder-Vereinbarung betreffend den Erhalt der Gräber der unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgten Sinti und Roma“ kam auch dank ihrer großen Unterstützung zustande und es war ihrer Intervention zu verdanken, dass die Bundesregierung mit den Ländern in einen konstruktiven Dialog über eine Regelung zum dauerhaften Erhalt der Grabstätten von Holocaust-Überlebenden getreten ist. Besonders hervorzuheben ist die Berufung der unabhängigen Expertenkommission Antiziganismus durch die Bundesregierung unter ihrer Führung im Jahr 2019. Sie war ein weiterer Erfolg im Kampf gegen den Antiziganismus, der weltweit einzigartig ist und eng mit ihrem Namen verbunden bleiben wird.
Musikalisch umrahmt wurde die Preisverleihung durch die Sopranistin Scarlett Rani Adler, begleitet durch den Pianisten Aureliano Zatoni. Das Preisgeld von 15 000 Euro wurde von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an die Organisationen Grünbau gGmbH und ternYpe – International Roma Youth Network gespendet.
Das 2010 gegründete internationale Jugendnetzwerk ternYpe will Vertrauen und gegenseitigen Respekt von jugendlichen Roma und nicht-Roma schaffen. Dafür vereint ternYpe verschiedene Jugendorganisationen aus ganz Europa, um junge Menschen zur aktiven Teilhabe an der Zivilgesellschaft zu ermutigen und sie dabei zu unterstützen.
Die Grünbau gGmbH setzt sich für die soziale Stadterneuerung in der Dortmunder Nordstadt ein. An der vielfältigen, nachbarschaftlichen Hilfe vor Ort beteiligen sich Menschen aus über 13 Nationen, darunter auch viele Roma. Daraus entwickelte Grünbau mehrere transnationale Projekte, darunter auch in Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens.
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