Am Montag, den 29. Januar 2018, fand am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin anlässlich Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus eine Gedenkstunde für die Angehörigen der Minderheit statt, die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik wurden. Hochrangige Politikerinnen und Politiker sowie Vertreterinnen und Vertreter der Sinti und Roma erinnerten in ihren Reden an die 500.000 ermordeten Sinti und Roma, bezogen aber auch deutlich Stellung zu der aktuellen und besorgniserregenden Situation in der Bundesrepublik.
In seiner Rede ging Oswald Marschall, stellvertretender Vorsitzender des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, auf den nicht erst seit der letzten Bundestagswahl spürbaren Rechtsruck der Gesellschaft und die daraus resultierenden Gefahren ein:
„Auch bei uns in Deutschland gewinnen nationalistische und populistische Kräfte, die erneut ein menschenverachtendes völkisches Denken propagieren, zunehmend an Einfluss. Für uns Sinti und Roma bergen diese sich verschärfenden gesellschaftlichen Konflikte eine große Gefahr. Denn antidemokratische Strömungen brauchen Feindbilder, um die Ängste von Menschen für ihre politischen Zwecke auszubeuten.“
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Petra Pau wies in ihrer Rede darauf hin, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch rassistische Einstellungen beinhalte. Diese richten sich „gegen Jüdinnen und Juden, gegen Sinti und Roma, gegen Muslima und Muslime, und so weiter. Und das nicht nur am rechten Rand, sondern inmitten der Gesellschaft. Häufig von Staats wegen unterstützt, wie wir auch aus dem NSU-Nazi-Mord-Desaster wissen.“
Für die Bundesregierung war der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt Michael Roth anwesend. Er betonte, das Mahnmal sei nicht nur ein Mahnmal gegen das Vergessen, sondern es soll „auch ein Auftrag für die Zukunft sein: eine Zukunft, in der 12 Millionen europäische Sinti und Roma in der Mitte der Gesellschaft leben – und nicht an ihrem Rand. Eine Zukunft, in der Antiziganismus keinen Platz hat und in der Sinti und Roma Würde, Achtung und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben zuteilwerden. Eine Zukunft, in der die Kunst, Kultur und Geschichte der europäischen Sinti und Roma sichtbar sind.“
Petra Rosenberg, die Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin–Brandenburg e.V., erinnerte an die besondere historische Verantwortung Deutschlands. Dieses solle „den Nachfahren von in der NS-Zeit verfolgten und ermordeten Sinti und Roma ein Bleiberecht ermöglichen, anstatt sie abzuschieben.“
Claudia Roth, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, hob in ihrer Rede die Wichtigkeit des Erinnerns – gerade in der heutigen Situation – hervor:
„Es erscheint mir wichtiger denn je, wenn Jude, Zigeuner oder Schwuler wieder Schimpfworte auf den Schulhöfen sind; wenn die Diskriminierung von Sinti und Roma […] anhält; wenn sich Menschen nicht trauen, ihre Identität preiszugeben, aus Angst vor Anfeindungen und Ausgrenzung, vor Diskriminierung oder Schlimmerem.“
Im Anschluss an die Gedenkstunde wurde im Berliner Büro des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma durch Petra Rosenberg die Ausstellung „Die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Berlin“ eröffnet, die noch bis zum 4. April zu sehen sein wird. Es sprach auch der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats und Vorsitzender des Verbandes Deutscher Sinti und Roma e. V. – Landesverband Schleswig-Holstein, Matthäuß Weiß.
Die Tagesschau berichtete über die Veranstaltung. Weiter zum Beitrag in der Mediathek der ARD hier.