Siegerentwurf für Erweiterung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma steht fest

Ein in Kuben gegliedertes Gebäude mit öffentlichem Vorplatz und Café: Der Architekturwettbewerb für das neue Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg ist entschieden. Der erste Preis geht an bez + kock architekten für ihre ruhige Architektur aus drei unterschiedlich hohen, roten Sandstein-Bauteilen. Mit seinem offenen Erdgeschoß und dem neuen »Stadtplatz« vor dem Gebäude setzt der Entwurf eine einladende Geste in Richtung Kornmarkt und Bergbahn. Damit haben die Bemühungen um zeitgemäße, repräsentative Räumlichkeiten für das Zentrum sowie den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma einen wichtigen Meilenstein erreicht. Die Planung von Neubau und Sanierung soll voraussichtlich 2022 beginnen. In einem ersten Schritt soll dabei der jetzt prämierte Entwurf detaillierter an die Anforderungen für Innen- und Außenräume angepasst werden.

Visualisierung des Siegerentwurfs des Architekturwettbewerbs zum Neubau des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in der Heidelberger Altstadt
Visualisierung des Siegerentwurfs von bez + kock architekten (Foto: Renderbar / bez+kock architekten)

Das zukünftige Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma präsentiert sich als öffentliches und selbstbewusstes Haus, so sieht es der Siegerentwurf des Architekturwettbewerbs von bez + kock architekten aus Stuttgart vor. Ein mit Bäumen begrünter Vorplatz mit Café und ein großzügiges Foyer laden zum Besuch des Neubaus ein. Im Innern der Kuben-Architektur, deren Sandstein-Fassade in Sockel- und Dachgeschoss prägnant und offen gestaltet ist, erwartet die Besucher eine abwechslungsreiche Raumdramaturgie. Weitläufige Ebenen bieten Platz für die Dauerausstellung, einen überdachten Lichthof für Veranstaltungen sowie in Nachbarschaft zu den Wechselausstellungen eine großzügige Dachterrasse.

21 führende Architektenbüros aus dem In- und Ausland – davon sieben zugeladen und 14 aus insgesamt 79 Bewerbungen zugelost – waren zur Teilnahme an der ersten Phase des zweistufigen anonymisierten Wettbewerbs zugelassen. Diesen hatte das Dokumentations- und Kulturzentrum zusammen mit der IBA Heidelberg im Februar 2020 ausgelobt.

Nachdem im vergangenen Sommer die besten acht Entwürfe zur zweiten Wettbewerbsrunde eingeladen worden waren, kürte die hochkarätige Jury unter Leitung von Prof. Markus Neppl (Fachgebiet Stadtquartiersplanung am KIT und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Heidelberg) am vergangenen Freitag nun einstimmig drei Preisträger sowie zwei Anerkennungen. Mit der Erweiterung des Dokumentations- und Kulturzentrums soll in der Heidelberger Altstadt eine weltweit einmalige kulturelle Repräsentanz zur Vermittlung von Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma entstehen.

Die Finanzierung des Wettbewerbs wurde von der Stadt Heidelberg und dem Land Baden-Württemberg übernommen. Seit Januar dieses Jahres steuert die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters, Vorplanungsmittel bei. Der Architekturwettbewerb schafft die Voraussetzungen, um die Erweiterung des Dokumentations- und Kulturzentrums valide zu planen und zu kalkulieren. Das Zentrum führt derzeit Gespräche, um die Realisierung des Siegerentwurfs finanzieren zu können.

Repräsentativer Neubau mit internationalem Vorbildcharakter

Der Wettbewerbsentscheid sei „ein großer Schritt zur inhaltlichen Erweiterung des Hauses und seiner Einrichtungen“, freute sich der Vorsitzende des Dokumentations- und Kulturzentrums, Romani Rose, bei der Vorstellung der prämierten Entwürfe. »Das Zentrum hat seit seiner Einweihung 1997 eine ungemeine Strahlkraft weit über Deutschland hinaus entwickelt und besitzt aufgrund seiner Einzigartigkeit als Institution unserer Minderheit einen internationalen Vorbildcharakter«, so Rose. »bez + kock architekten werden der inhaltlichen Neuaufstellung durch einen repräsentativen Neubau gerecht, der sich zugleich perfekt in das denkmalgeschützte Ensemble der Heidelberger Altstadt einfügt. Unser Dank gilt Stadt, Land und Bund für die bisher geleistete Unterstützung. Wir haben große Hoffnung, dass nun auch die Mittel für Planung und Realisierung gefunden werden können.«

»Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma ist seit über 30 Jahren fester Bestandteil des Heidelberger Lebens und unserer Stadt. Diese international renommierte Institution für die größte Minderheit Deutschlands weiterzuentwickeln ist ein Ansinnen, das wir von Beginn an unterstützt haben«, so Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck. »Ich freue mich sehr, dass wir nun aus den äußerst hochwertigen Beiträgen eine Arbeit herausgefiltert haben, die mit ihrer prägnanten, ebenso musealen wie offenen Form überzeugt und die, wie wir glauben, eine hervorragende Architektur für die Sinti und Roma wie auch für die Nachbarschaft zu Schloss, Rathaus und den Touristenströmen bietet.«
Bei der Erweiterung der Institution soll der denkmalgeschützte Bestand durch einen Neubau ergänzt werden. Die detaillierten Vorgaben des Wettbewerbs verlangten neben Büroflächen, Archiv und Bibliothek insbesondere Platz für öffentliche Veranstaltungs- und Ausstellungsbereiche sowie ein Café.

Mit ihrem Siegerentwurf konnten sich bez + kock architekten in der zweiten Wettbewerbsrunde gegen internationale Architekturbüros wie GINA Barcelona Architects oder Marte.Marte Architekten aus Innsbruck durchsetzen. Jeweils ein dritter Platz ging an GEORG SCHEEL WETZEL ARCHITEKTEN aus Berlin und meck architekten aus München. Anerkennungen erhielten die Arbeiten von dasch zürn + partner architekten und kadawittfeldarchitektur, die durch zukunftsweisende und experimentelle Ansätze überzeugten, sich aber zu wenig in die Heidelberger Altstadt einfügten.
»Alle drei Preisträger wären großartige Beiträge gewesen, nicht zuletzt zur IBA-Abschlussausstellung im kommenden Jahr«, resümiert auch Carl Zillich, Kuratorischer Leiter der IBA Heidelberg. »Dass die Jury keinen zweiten Platz vergab, zeigt, wie überzeugend der Erstplatzierte die Herausforderungen meistert: ein Spagat zwischen architektonischer Geste, räumlicher Komposition und Öffnung zur Stadtgesellschaft – und das auf einem beengten Grundstück mit Baudenkmalen. Der Entwurf von bez + kock architekten setzt ein markantes bauliches Wahrzeichen für den kulturellen Beitrag der Sinti und Roma und gegen Ausgrenzung. Nicht nur Sinti und Roma, die gesamte Bevölkerung Heidelbergs wird sich hier zusammenfinden.«

Ausstellung im Dokumentations- und Kulturzentrum sowie online

Die Preisträger und die weiteren Beiträge der zweiten Wettbewerbsrunde können von Dienstag, 20. Juli bis Sonntag, 1. August 2021 im Dokumentations- und Kulturzentrum zu den regulären Öffnungszeiten der Dauerausstellung besichtigt werden. Der Eintritt ist kostenfrei.
Die Abstands- und Hygienemaßnahmen während der Corona-Pandemie werden in der Ausstellung eingehalten. Besucher*innen sind gebeten, diese und die Maskenpflicht entsprechend zu beachten. Die zuvorderst platzierten Arbeiten sind darüber hinaus in einer Online-Ausstellung unter iba.heidelberg.de einzusehen.

Die drei Siegerentwürfe im Detail

1. Preis: bez + kock architekten

In Kuben gegliedertes Gebäude mit öffentlichem Vorplatz und Café
bez + kock architekten antworten auf die gestellte Aufgabe städtebaulich mit dem Entwurf eines kompakten Neubaus. Dieser schließt mit einem überdachten, für Veranstaltungen vorgesehenen Lichthof direkt an das denkmalgeschützte Bestandsgebäude an und nimmt so mit dem Gebäudevolumen nur ein Mindestmaß der Grundfläche ein. Hierdurch wird in Richtung Bergbahn ein neuer »Stadtplatz« ermöglicht. Die drei unterschiedlich hohen Körper des Gebäudes heben sich über Material- und Formensprache als öffentliches Gebäude von den benachbarten Häusern ab. Im Sockel- und Dachgeschoss setzen großzügige Öffnungen Akzente. Das Erdgeschoss, das direkt an den baumbestandenen Vorplatz mit Café anschließt, ist mit Foyer und Seminarräumen luftig gestaltet. Von hier führt eine skulpturale Wendeltreppe zu den Ausstellungsgeschossen, wo sich Atelier und Wechselausstellungsraum auf die großzügige Dachterrasse öffnen und einen Blick über die Dachlandschaft der Altstadt erlauben. Oberlichter ermöglichen im Innern besondere Lichtsituationen und akzentuieren außen zusammen mit einer Dachbegrünung die Dachaufsicht. Die Kombination aus vielfältigen Raumangeboten und selbstbewusster Rotsandstein-Architektur gibt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Deutschen Sinti und Roma im neuen Dokumentations- und Kulturzentrum einen würdigen Rahmen.

3. Preis: GEORG SCHEEL WETZEL ARCHITEKTEN

Einladende Gebäudeskulptur mit offenem Erdgeschoss und Walmdächern Georg Scheel Wetzel Architekten aus Berlin sprechen mit einem offen gestalteten Erdgeschoss und Außenräumen rund um das Gebäude eine klare Einladung an die Öffentlichkeit aus, sich mit den Themen der Sinti und Roma auseinanderzusetzen. Dabei changiert der Entwurf zwischen zwei Polen: Einerseits lehnt er sich mit seinem in drei Walmdächer gegliederten Baukörper an die kleinteilige Architektur des Nachbarhauses an, andererseits verleiht er dem Gebäude durch seine Großmaßstäblichkeit den Charakter einer öffentlichen Institution. Eine Zäsur wird durch das bewusste Abrücken des Neubaus vom denkmalgeschützten Bestandsgebäude geschaffen, wo ein öffentlich begehbarer »Stadtbalkon« Einblicke in den abgesenkten »Erinnerungshof« bietet. Im Innern überzeugt der Vorschlag mit einer durchdachten Raumabfolge, die gezielte Ausblicke in die Altstadt erlaubt.

3. Preis: meck architekten Skulpturierter

Baukörper mit zwei öffentlichen Freiräumen und geneigtem Dach Getragen vom Leitgedanken »Geschichte kennen – Gegenwart verstehen – Zukunft gestalten« schafft das Büro meck architekten aus München einen skulptural wirkenden Baukörper mit zwei begrünten Hofsituationen. Während das Foyer eine visuelle Brücke zum denkmalgeschützten Bestandsgebäude herstellt, erinnert der »Garten des Gedenkens« an den Holocaust an den Sinti und Roma und lädt als öffentlicher, mit dem Altstadtleben verschränkter Raum zur niederschwelligen Auseinandersetzung damit ein. Großformatige Öffnungen in den Ausstellungsbereichen bieten unterschiedliche Ausblicke in die umgebende Altstadt. Durch den Einsatz verschiedener roter Ziegelmaterialien sowie das zur Zwingerstraße und nach Süden abfallende Dach samt Lichtfänger für ein großzügiges Treppenhaus fügt sich der Entwurf sensibel in die bestehenden Baudenkmäler sowie das historisch gewachsene Umfeld ein.

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Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
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