Zwei virtuelle Gedenkveranstaltungen zum 27. Januar 2022

Virtuelle Gedenkveranstaltungen für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas am Denkmal in Berlin und im Europarat – Romani Rose erinnert mit Blick auf den Holocaust daran, dass die Gefahr des Antiziganismus auch heute eine Gefahr für die Angehörigen der Minderheit ist

Blick auf die Wasserfläche des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin. In der Mitte eine Blume.

Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens der Opfer des Holocaust und des 77. Jahrestages der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 gedenken der Zentralrat und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma bei zwei virtuellen Gedenkveranstaltungen an die 500.000 ermordeten Sinti und Roma Europas und an alle Menschen, die der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zum Opfer fielen.

In Berlin wird gemeinsam mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas ein virtuelles Gedenken am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas organisiert. Der Vorsitzende des Zentralrats Romani Rose nimmt auf Einladung von Generalsekretärin Marija Pejčinović Burić mit einer Videobotschaft an der Gedenkveranstaltung des Europarats teil. Wegen der Covid-19-Pandemie finden beide Veranstaltung ausschließlich virtuell statt.

Die virtuelle Gedenkveranstaltung des Europarats in Brüssel ist morgen ab 14.00 Uhr auf der Homepage des Europarats abrufbar:

www.coe.int

Die virtuelle Gedenkveranstaltung in Berlin wird morgen um 16.00 Uhr auf unseren Facebook-Seiten übertragen:

https://www.facebook.com/sintiundroma/

https://www.facebook.com/zentralratdeutschersintiundroma

Darüber hinaus lädt das Bildungsforum gegen Antiziganismus um 18.00 Uhr zum Gespräch über Kämpfe um Erinnerung und Anerkennung als Teil der Bürgerrechtsarbeit ein. Diana Bastian, Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Saarland und Jacques Delfeld, Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz, geben Einblicke in die Arbeit der Bürgerrechtsbewegung und den Stellenwert der Erinnerungskultur heute. Die Veranstaltung wird auf der Facebook-Seite des Bildungsforums (https://www.facebook.com/BildungsforumBerlin/) gestreamt.

Am Gedenktag selbst besteht die Möglichkeit, am Denkmal in Berlin individuell Blumen und Kränze niederzulegen. Es findet jedoch keine öffentliche Gedenkveranstaltung am Denkmal statt. Bitte beachten Sie die aktuell geltenden Corona-Regeln und Einschränkungen.

Wir laden Sie herzlich ein, über beide virtuelle Gedenkveranstaltungen zu berichten. Außerdem bitten wir Sie, im Vorfeld in Ihren Medien auf die Veranstaltungen hinweisen.

Zitate aus der Ansprache von Romani Rose bei der virtuellen Gedenkveranstaltung des Europarats:

– Sperrvermerk 27. Januar 2022, 14 Uhr / Es gilt das gesprochene Wort –

„Diese unvorstellbaren Verbrechen, die an den Juden und an den Sinti und Roma begangen wurden, müssen der Menschheit eine Warnung sein und immer wieder aufzeigen, zu was Menschen fähig sind. Diese besondere Verantwortung muss insbesondere auch in den Medienhäusern angenommen werden, denn ihnen kommt bei der Aufklärung der Gesamtgesellschaft eine Schlüsselrolle zu.

Antiziganismus ist immer noch virulent, er stellt für die Angehörigen der Minderheit eine ernste Gefahr dar und ist eine Bedrohung des inneren und äußeren Friedens in Europa. Er führt dazu, dass Roma in Südost- und Mitteleuropa, inmitten der Europäischen Union, in menschenunwürdigen Umständen zu leben gezwungen sind, die an Apartheid erinnern. Ich bin deshalb überzeugt: die Idee eines einigen Europa hat nur dann eine Zukunft, wenn wir die ureigensten Werte in Zeiten der Krise und der Bedrohung nicht verraten. Das sind wir den Ermordeten und Überlebenden schuldig, deren Vermächtnis Generation für Generation neu mit Leben gefüllt und angenommen werden muss.“

Romani Rose

Die komplette Rede mit Sperrvermerk kann auf der Homepage des Zentralrats heruntergeladen werden: Zum Download (PDF, nicht barrierefrei)

Virtuelle Gedenkveranstaltung in Berlin:

Begrüßung:

Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Ansprachen:

  • Lona Strauss-Dreißig, Holocaust-Überlebende
  • Helge Lindh, Mitglied des Bundestages
  • Dotschy Reinhardt, Vorsitzende des Landesrates Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg

Zitate aus den Ansprachen:

– Sperrvermerk 27. Januar 2022, 16 Uhr / Es gilt das gesprochene Wort –

„Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee Auschwitz. Seit 1996 begeht die Bundesrepublik Deutschland diesen 27. Januar als nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Für alle Opfer des Nationalsozialismus, darunter auch die ermordeten Sinti und Roma Europas. Wir gedenken der Millionen ermordeten Juden, der Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen und aller anderen unzähligen Millionen, die unter deutscher Besatzungsherrschaft gelitten haben und ermordet wurden. Mit diesem Gedenken setzen wir zugleich ein Zeichen für die Gegenwart. Gegen Antisemitismus, Antizganismus, Homophobie und jedweden gruppenbezogenen Rassismus.“

Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

„Eigentlich habe ich sehr viel Vertrauen in unsere Politik heute. Ich fühle mich geschützt, ich habe keine Angst, dass so etwas nochmal passieren könnte. Aber so langsam hört man es immer wieder: Es wird gehetzt über diese und jene… Es sind immer Hetzreden und Hass dabei. Das ist etwas Schlimmes, das setzt sich in den Menschen fest.“

Lona Strauss-Dreißig, Holocaust-Überlebende

Denn die Verbrechen – der Holocaust, aber auch schon die polizeiliche Verfolgung in der Zeit der Weimarer Republik, die Vorgeschichte – hatten auch eine Nachgeschichte: Das ist die Geschichte der Bundesrepublik. Sie ist verbunden mit einer zweiten schweren Schuld, letztlich einer zweiten Ermordung, einer zweiten Verfolgung. Diejenigen, die überlebt hatten und die Nachkommen der Ermordeten, saßen in Behörden, saßen in Polizeistationen, saßen an allen möglichen Stellen in Deutschland wieder denen gegenüber, die sie vorher der Vernichtung preisgegeben hatten.

Da entschieden solche, die Handlanger der Verfolgung waren, über „Wiedergutmachungs“-anträge. Und in der Regel wurde Entschädigung, wurde Anerkennung verweigert. Die Geschichte der Bundesrepublik ist eine Geschichte der Nicht-Anerkennung und der erneuten Schuld und der Verbrechen gegenüber den Sinti und Roma. Das muss endlich deutlich bekannt werden.“

Helge Lindh, Mitglied des Bundestages

„Erinnern heißt die eigene Stimme gegen Unrecht zu erheben und nicht zu schweigen. Gesetze und Maßnahmen zum Schutz und Förderung von Minderheiten im Land zu schaffen. Denn die Rechtsstaatlichkeit eines Landes lässt sich am Umgang mit den Minderheiten bemessen.“

Dotschy Reinhardt, Vorsitzende des Landesrates der Sinti und Roma Berlin-Brandenburg

Pressekontakt

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
presse@sintiundroma.de, +49 6221 981102

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