Unser tiefes Mitgefühl gilt den Überlebenden des Anschlags und den Angehörigen und Freunden der Ermordeten, die vor einem Jahr ihr Leben bei diesem Verbrechen in Hanau verloren haben. Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu.
Neun tote Menschen. Sie waren Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Schwestern und Brüder, Freundinnen und Freunde und werden nun schmerzlich vermisst. Sie waren aber auch Mitbürgerinnen und Mitbürger, für die Hanau mehr war als nur eine Stadt. Hanau war ihre Heimat – ihr Zuhause, genauso wie für rund 96.000 andere Hanauerinnen und Hanauer. Allen Opfern des Attentäters ist eines gemeinsam: aufgrund ihrer Herkunft sollten sie in den Augen des Täters kein Recht auf Leben in unserem Land haben und nur deshalb hat er im Februar 2020 seine Waffe auf sie gerichtet. Auch drei Angehörige unserer Minderheit wurden bei dem Anschlag erschossen und die Sinti und Roma in Deutschland blieben mit Angst um ihre Sicherheit zurück.
Bei der Trauerfeier vor einem Jahr, direkt nach dem Massaker, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, jeder Mensch, der in unserem gemeinsamen Land lebt, müsse in Sicherheit und Frieden leben können. Der Staat habe die Pflicht, dieses Recht zu schützen. An diesem Anspruch müssen sich der Staat und seine Vertreterinnen und Vertreter heute, ein Jahr nach den schrecklichen Ereignissen von Hanau, messen lassen. Doch noch immer sind viele Fragen offen: wieso war die Notrufzentrale an diesem Abend nur unzureichend besetzt, so dass zahlreiche Notrufe ins Leere liefen? Wurde dieses Problem mittlerweile gelöst, nicht nur vor Ort, sondern in allen bundesdeutschen Polizeidienststellen? Wieso war der Notausgang an einem Tatort verschlossen?
Wieso passieren solche Fehler immer wieder bei Ermittlungen gegen Neonazis und nach rechtsextremistischen Anschlägen, nicht nur in Hanau, sondern auch beim NSU, in Halle und beim Mord an Walter Lübcke? Kann es dabei auch an der fehlenden Motivation der Beamten liegen, Demokratie und Rechtstaat zu schützen oder existiert hier ein mangelndes Bewusstsein für die Verantwortung, die hierbei jede Polizistin, jeder Polizist und jeder Mitarbeitende der Sicherheitsbehörden für unseren Rechtsstaat trägt?
Es kann nicht sein, dass dieses unerklärliche Versagen immer wieder als Fehler einzelner abgetan wird. Hier liegt grundlegend etwas im Argen. Dieses Abwehrverhalten, diese Verschleppung bei Ermittlungen aber auch diese Fehler bei der präventiven Gefahrenabwehr – das alles führt dazu, dass zunehmend Teile der Bevölkerung von einem Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat erfüllt sind. Auch daran wird sich der Staat in Zukunft messen lassen müssen, inwieweit er diese Mängel innerhalb der Behörden aufklärt und behebt und dafür sorgt, dass alle Menschen in Deutschland in Sicherheit leben können.
Romani Rose