Mit der Stadt Heidelberg verbinden viele Menschen einen romantischen Spaziergang zum Schloss oder ein gemütliches Kaffeetrinken in der Altstadt. Wie aber war es in der NS-Zeit in dieser Stadt der Künste und der Wissenschaften?
Schüler*Innen der Carl-Theodor-Schule Schwetzingen begeben sich im Rahmen eines Seminarkurses auf eine Spurensuche. Die Geschichte der Stadt Heidelberg während der NS-Zeit war Inhalt eines einjährigen Seminarkurses im Schuljahr 2005/2006, den die Lehrer Ralf Hein, Nicola Höfs und Karl-Ludwig Münkel an der Carl-Theodor-Schule in Schwetzingen gemeinsam mit dem Referat Dialog konzipierten und organisierten.
Seminarkurs?
Der Seminarkurs ist eine neue Unterrichtsform. Er wird Schülern als Wahlmöglichkeit zusätzlich zum laufenden Unterricht angeboten und soll neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Kursthema auch Sozial-, Methoden- und Fachkompetenzen vermitteln und die Kooperationsfähigkeit der Schüler entwickeln. Eigenständige Recherchen, das themen- und problemorientierte Zugreifen auf geeignete Informationsquellen sowie das Erfassen, Strukturieren und Bewerten von Aussagen wissenschaftlicher Texte machten dabei einen Teilbereich der Arbeiten aus. In der Auseinandersetzung mit Rechercheergebnissen, Quellen und Darstellungen erlernen die Schüler, ihre Fähigkeit zu multiperspektivischer Betrachtung und problemorientierter Argumentation zu festigen sowie eine differenziertere Beurteilung historischer Entwicklungen in größeren Zusammenhängen vorzunehmen. Die Leistungsbewertung des Seminarkurses erfolgt in drei Abschnitten: Anfertigung einer Facharbeit, Präsentation der eigenen Arbeitsergebnisse vor der Jahrsgangsstufe 11 sowie die Teilnahme an einem mündlichen Prüfungscolloquium. Die Leistungen ergeben eine Kursnote, die auf Entscheidung der Schüler eine mündliche oder sogar schriftliche Abiturnote ersetzen kann. Damit bietet ein Seminarkurs nicht nur die Möglichkeit der Aneignung fachlicher Kenntnisse und Arbeitsmethoden, sondern auch eine Arbeitsentlastung der Schüler im Abiturjahr. Das Referat Dialog griff mit diesem Seminarangebot erstmals zentrale Anforderungen der neuen Bildungspläne auf, mit dem Ziel, in Zukunft regelmäßig Schulen entsprechende Angebote machen zu können. Von den Resultaten sollen beide beteiligten Partner profitieren können und Schüler zukünftig weniger als „Konsumenten“ (z.B. bei Ausstellungsführungen) fungieren, sondern verstärkt aktiv als Partner an Lern- und Entwicklungsprozessen beteiligt werden.
Projektablauf
Bei der Bewerbung des Projektes in der Schule war ein erfreulich starkes Interesse am Seminar zu verzeichnen. Von insgesamt 28 Schülern wurden letztendlich 15 für eine Teilnahme ausgewählt. Von September bis November 2005 erstreckte sich eine von den drei Lehrern und dem Referat Dialog begleitete Phase der Aneignung methodischer Grundlagen und der ersten inhaltlichen Annäherung an das Thema. In Kooperation mit der VVN-Heidelberg organisierte das Referat am 1. Dezember 2005 einen zeitgeschichtlichen Stadtrundgang durch die Heidelberger Altstadt. In Gesprächen mit dem Leiter des Heidelberger Kulturamts und dem Leiter des Stadtarchivs konnte eine Kooperation und Zusammenarbeit bei den Recherchen vereinbart werden. Im Rahmen einer Seminarsitzung in der Carl-Theodor-Schule in Schwetzingen am 8. Dezember 2005 wurden vier Themenschwerpunkte der anstehenden Recherchephase vorgestellt:
- Heidelberger Schulen 1933-1945
- Verfolgte Gruppen – Schwerpunkte Sinti und Roma und Zwangsarbeiter
- Orte der NS-Geschichte in Heidelberg
- Heidelberger Universität und Forschung 1933-1945
Ab Januar 2006 begann nach der Vorstellung ausgearbeiteter Themenexposees die intensive Recherchephase, die bis Mai andauerte. Bei einem Einführungstreffen im Ratssaal der Stadt Heidelberg informierte Herr Dr. Blum, Leiter des Stadtarchivs Heidelberg, die Schüler des Seminarkurses ausführlich über die Arbeit eines Archivars. Dr. Blum stellte die Arbeit des Stadtarchivs Heidelberg vor und erläuterte den Aufbau und die Aufgaben eines Archivs. Im Rahmen einer sich anschließenden Fragerunde machte Herr Dr. Blum das Angebot, dass das Stadtarchiv Heidelberg in den nächsten Wochen und Monaten die Schüler bei ihrer Materialsuche und Informationsbeschaffung intensiv unterstützen werde. Den Schülern wurde daraufhin im Archiv ein eigener Arbeitsraum zur Verfügung gestellt, in dem sie in kleinen Arbeitsgruppen das vorhandene Aktenmaterial sichten, Quellen auswählen und Inhalte auswerten konnten. Der Seminarkurs bedankt sich an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal für die hervorragende Unterstützung durch den Leiter und das Team des Stadtarchivs Heidelberg.
Vom 7. bis 9. April 2006 wurde ein Wochenendseminar in der Jugendburg Rotenberg bei Rauenburg organisiert, bei dem die ersten Ergebnisse vorgestellt und mögliche Präsentationsformen für die geplante Abschlusspräsentation des Seminarkurses ausprobiert wurden. Im Anschluss an die Recherchephase erfolgte das Verfassen von entsprechenden Seminar-Facharbeiten, am 28. Juni 2006 die öffentliche Präsentation der Seminarergebnisse vor der Jahrsgangsstufe 11 sowie am 14. Juli das Prüfungscolloquium.
Abweichend von der ursprünglichen Überlegung, am Ende des Kurses einen schriftlichen Stadtführer zum Nationalsozialismus in Heidelberg in Buchform zu konzipieren, entwickelten die Schüler die Idee, den Stadtrundgang in Form eines Postkartensets zu gestalten. Nach einer ausführlichen gemeinsamen Diskussion übernahm eine Schülergruppe die Aufbereitung von Vorschlägen für die Gestaltung der Karten. Erste Rohentwürfe waren Bestandteil der Facharbeiten. Die inhaltliche und gestalterische Umsetzung des Kartensets wird im Frühjahr 2007 erfolgen. Es soll aus maximal 16 Karten bestehen. Folgende Karten sollen vorbereitet werden:
A Titelkarte mit Erläuterungen
B Allgemeinhistorische Einleitung zum Thema
C Straßenkarte mit den Stationen des Rundgangs
- Dokumentations- und Kulturzentrum (Ausgangspunkt)
- Marktplatz (Thema: Nationalsozialismus in Heidelberg, Sammelplatz vor Deportation)
- Gedenktafel Sinti und Roma (Thema: Sinti und Roma in Heidelberg )
- Alter Synagogenplatz (Thema: Jüdisches Leben/Verfolgung in Heidelberg )
- Heiliggeistkirche (Thema: Kirchlicher Widerstand)
- Universitätsplatz (Thema: Universität im Nationalsozialismus, Bücherverbrennung)
- Hauptbahnhof (Thema: Zwangsarbeit in Heidelberg – Lager Baggerloch)
- Psychiatrische Uni-Klinik (Thema: Euthanasie)
- Germanistische Seminar (Thema: Polizei und Gestapo)
- Fauler Pelz (Thema: Politischer Widerstand)
- Thingstätte (Thema: Propaganda)
- KFG-Gymnasium (Thema: Schule im Nationalsozialismus)
D Abschlusskarte zum Seminarkurs