Gemeinsam mit dem Verein „Heidelberger Lupe“ (Verein für Historische Forschung und Geschichtsvermittlung) lud das Dokumentationszentrum am 20. Juni zum Stadtrundgang mit der Bürgerrechtlerin Ilona Lagrene. Beim Rundgang zur Geschichte der Heidelberger Sinti erinnerten die Teilnehmer*innen an die im Mai 1940 „in den Osten“ deportierten Sinti-Familien.
Im Sommer 1935 wurde aus einer zunächst gegen eine Sinti-Familie gerichteten Einzelaktion eine allgemeine Vertreibungsmaßnahme für das gesamte Stadtgebiet. Der Versuch der städtischen Behörden, die vorher erfassten Heidelberger Sinti-Familien zwangsweise abzuschieben, scheiterte an der fehlenden gesetzlichen Grundlage. Übrig blieb, den Druck sowohl wirtschaftlich als auch sozial zu steigern, in der Hoffnung, durch den Entzug der Erwerbsgrundlage und die drangsalierenden Kontrollmaßnahmen würden die Sinti aus Heidelberg weg ziehen. Tatsächlich zogen von den im Sommer 1935 in Heidelberg lebenden Sinti-Familien die meisten bis Mitte 1936 nach Ludwigshafen.
Am 16. Mai 1940 wurden in ganz Deutschland insgesamt 2.500 Sinti und Roma verhaftet. Unter den 61 in Ludwigshafen festgenommen Sinti kamen 19 Personen aus Heidelberger Familien. Sie alle wurden in provisorisch eingerichtete Sammellager gebracht. Von dort aus wurden sie nur wenige Tage später mit Zügen in die Ghettos und Konzentrationslager im besetzten Polen deportiert. Für die Mehrzahl der deportierten Männer, Frauen und Kinder war es eine Fahrt in den Tod.
Ilona Lagrene zeichnete im Anschluss an den Stadtrundgang einzelne Familienschicksale nach und berichtete aus ihren persönlichen Erfahrungen und Begegnungen. Die ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Tochter der zuvor in der Heidelberger Altstadt wohnhaften Sinti-Familie Steinbach geboren. Ihre Eltern und Geschwister waren 1936 aus Heidelberg nach Ludwigshafen geflüchtet, wo sie im Mai 1940 ins besetzte Polen deportiert worden waren. Dort mussten sie mehrere Ghettos und Konzentrationslager durchlaufen und Zwangsarbeit leisten.
Die Heidelbergerin und Holocaust-Überlebende Lore Georg kam dankenswerterweise trotz sommerlicher Hitze zur Veranstaltung, um gemeinsam mit ihrer Schwester Ilona Lagrene die Erinnerung an die Heidelberger Sinti-Familien zu bewahren.