Stellungnahme von Manfred Lautenschläger zum Neubau

In der Diskussion um den geplanten Erweiterungsbau des Dokumentations-und Kulturzentrums bezieht der Vorsitzende unseres Kuratoriums, Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, eine eindeutige Position.

Portraitfoto von Manfred Lautenschläger
Dr. h.c. Manfred Lautenschläger

Manfred Lautenschläger, einer der großen Mäzene Heidelbergs, unterstützt seit Jahrzehnten die Arbeit der Sinti und Roma auf vielfältigste Weise. Nicht zuletzt als Stifter des renommierten „Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma“, mit dem vor zwei Jahren Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgezeichnet wurde. Mit deutlichen Worten wendet er sich immer wieder gegen Bestrebungen von außen, Einfluss auf die Arbeit des Dokumentationszentrums und des Zentralrats zu nehmen. Dabei verurteilt er entschieden jede Form von Antiziganismus, wofür wir Manfred Lautenschläger sehr dankbar sind.

Stellungnahme

Als Vorsitzender des Kuratoriums des Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma bin ich erschüttert über eine Diskussion, die jetzt in Heidelberg durch die „Bürgerinitiative Bebauungsplan Bremeneck“ und die Vereine „Bürger für Heidelberg“ und „Verein Alt-Heidelberg“ vom Zaun gebrochen wird (Vergl. Rhein-Neckar-Zeitung vom 10. und 17. Mai).

Mit Überheblichkeit und Arroganz wollen einige Mitbürgerinnen und Mitbürger in den von einer unabhängigen Jury aus den zahlreichen Vorschlägen internationaler Architekten ausgewählten Entwurf zum Erweiterungsbau des Dokumentationszentrums eingreifen – der, nachdem es von Seiten der Altstädter Kritik gab, und was auch der Wunsch des Dokumentationszentrum war, bis Ende des Jahres vom Architektenbüro „bez + kock“ überarbeitet wird. Dabei geht es um die Neugestaltung der Außenfassade – mehr an Kooperation und Eingehen auf Kritik ist wohl kaum denkbar.

Man kann über die Ästhetik aller Bauten unterschiedlicher Meinung sein. Es ist das gute Recht aller Heidelberger auch Kritik zu üben.

Was jedoch eine Grenze überschreitet, ist, wenn die Notwendigkeit des drängenden Raumbedarfs des Dokumentationszentrums angezweifelt wird. Denn der wurde sehr intensiv im Vorfeld geprüft. Soll das Dokumentationszentrum weiterhin seine internationale Strahlkraft behalten, ist die Erweiterung unverzichtbar.

Der „gutgemeinte Ratschlag“, die Sinti und Roma wären mit ihrem Bau doch besser in Berlin und nicht in der „kleinteiligen Altstadt“ aufgehoben, wie er auch schon geäußert wurde, geht an den Tatsachen vorbei. Wer den Raumbedarf in Heidelberg bestreitet, spricht sich gegen das Dokumentations- und Kulturzentrum aus! Diese Einrichtung gehört zu Heidelberg seit einem Vierteljahrhundert!

Immer wieder betonen Gemeinderäte aller Couleur und auch der Oberbürgermeister, wie „stolz“ sie sind, diese europaweit einmalige Institution in ihrer Stadt zu haben; gerade auch vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen unheilvollen Geschichte.  Heidelberg war Mitte der 30er Jahre eine der ersten Städte, die sich dem Nazi-Willen beugten und ihre Stadt „zigeunerfrei“, wie auch „judenfrei“ machten. Mithilfe der Einwohner grenzte sie Menschen aus, die seit Jahrzehnten Nachbarn waren und wie sie Deutsche. Da spielte übrigens auch der „Verein Alt-Heidelberg“ eine unrühmliche Rolle. Und wir alle wissen, wohin das geführt hat.

An der Minderheit begingen die „reinrassigen Reichsdeutschen“ ein furchtbares Verbrechen aus dem einzigen Grund, weil sie einer bestimmten Volksgruppe angehörten und damit von den Nazis zur „Fremdrasse“ stigmatisiert wurden. Das führte im Holocaust zur Ermordung von einer halben Million Sinti und Roma.

Vor diesem Hintergrund versichern nun die Briefschreiber, dass sie Wert auf eine „weiterhin gute Nachbarschaft mit dem Dokumentationszentrum legen und wünschen sich, dass auch deren Vertreter diese Nachbarschaft und die gesamte Stadtgesellschaft wertschätzen und ihnen daran gelegen ist, sich gerade aufgrund ihrer Geschichte als Teil unserer Gesellschaft darzustellen, anstatt sich vom Umfeld abzuheben und dadurch Konflikte zu schaffen.“

Ungeheuerlich! Nein, die Sinti und Roma wollen sich nicht als „Teil der Gesellschaft darstellen“, sie sind Teil unserer Gesellschaft. Aber offenbar gehören sie für die Initiatoren noch immer nicht dazu. Im Klartext: „Ihr habt euch schon einmal schlecht benommen und habt eure verdiente Strafe bekommen. Reizt uns nicht schon wieder, sonst…“ Sie sollen sich gefälligst den Wünschen einer selbsternannten Mehrheit beugen. Das ist Antiziganismus in Reinform, der den Briefschreibern aber wahrscheinlich nicht einmal bewusst ist. Doch wie muss das auf Sinti und Roma wirken, die ihre Angehörigen im Holocaust verloren haben? Wir aus der Mehrheitsgesellschaft – und nicht die Sinti und Roma – sollten aus der Geschichte lernen und sehr sensibel sein bei dem, was wir von uns geben.

Bei der Planung des Neubaus waren alle Heidelberger vom Dokumentationszentrum eingeladen, auch die jetzigen Initiatoren, sich an den zahlreichen Diskussionen und Planvorstellungen zu beteiligen. Wir haben seit Jahrzehnten ein gutes Miteinander, ein vertrauensvolles Verhältnis zur Stadtgesellschaft und so soll es auch bleiben. Die Tür bleibt offen. Auch das neue Haus wird ein offenes sein und ein Begegnungsort für alle.

Manfred Lautenschläger