NS-Massenmörder und Zeuge der Anklage

Großes Interesse an Buchpremiere: Auf der Basis akribischer Quellenarbeit zeichnet Dr. Jan Kreutz in seiner biographischen Studie „Karrieren der Gewalt zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik“ die grausamen Verbrechen des Holocaust-Täters Erich von dem Bach-Zelewski (1899-1972) nach. Im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma hat der Historiker seine Publikation wenige Tage nach Erscheinen als Band 13 der Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust des Fritz Bauer Instituts im Göttinger Wallstein-Verlag nun erstmals öffentlich vorgestellt.

Dabei hat er nicht nur den Lebensweg des NS-Massenmörders skizziert, der nach Ende des Zweiten Weltkrieges bei den Nürnberger Prozessen als Zeuge der Anklage aufgetreten ist. Der Wissenschaftler hat auch eindrucksvoll dargestellt, wie sich der „Gewaltmanager“ in zahlreichen Selbstzeugnissen und Ego-Dokumenten immer wieder neu erfunden hat. Im Autorengespräch mit Heidrun Helwig, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Dokumentationszentrums, hat Jan Kreutz zudem verdeutlicht, dass die oberste Riege der SS keineswegs nur aus einer Riege im Zivilleben gescheiteter Existenzen bestand, wie das die ältere Forschung teilweise noch angenommen hat. So konnte sich der NS-Verbrecher durch seine „enorme Anpassungsfähigkeit“ gleich in vier unterschiedlichen politischen Systemen durchsetzen. Auch das sorgte im Anschluss für eine rege Diskussion mit den zahlreichen Besucher*innen.

Erich von dem Bach-Zelewski war verantwortlich für die brutale Niederschlagung des Warschauer Aufstands der polnischen Untergrundarmee im August 1944 mit 200.000 Opfern. Als Höherer SS- und Polizeiführer Russland-Mitte hatte er zuvor den Holocaust entlang des Mittelabschnitts der Ostfront koordiniert und als Chef der Bandenkampfverbände die Strategie der Entvölkerung ganzer Landstriche durch unzählige Massenmorde angeordnet, die er im Sommer 1944 auch in Polens Hauptstadt anwandte.

Anhand der teilweise erstmals ausgewerteten Selbstzeugnisse zeigte der Historiker, wie Erich von dem Bach-Zelewski die von ihm angewendete Gewalt schreibend verarbeitete. Indem die Studie autobiographisches Schreiben als Teil des Gewaltprozesses begreift, fügt sie der Diskussion um die Täter des Holocaust einen neuen Aspekt hinzu.

Jan Kreutz war mehrere Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma tätig. Inzwischen erforscht er am Seminar für Geschichte und Geschichtsdidaktik der Europa-Universität Flensburg die Steuer- und Haushaltspolitik in den deutschen Kolonien.