Anerkennung für unermüdliche Arbeit: Ilona Lagrene erhält Staufermedaille

Am 24. April 2023 wurde die Bürgerrechtlerin Ilona Lagrene in Mannheim mit der Staufermedaille in Gold ausgezeichnet.

Der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz hält eine Schatulle mit der goldenen Staufermedaille in der Hand. Neben ihm steht Ilona Lagrene während ihrer Dankesrede. Ganz rechts steht Romani Rose mit einem Blumenstrauß.
Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, Ilona Lagrene und Romani Rose (Foto: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma/Pflock)

Die schöne Nachricht erreichte Ilona Lagrene ganz unspektakulär – als kurze E-Mail aus dem Büro des Mannheimer Oberbürgermeisters. „Und natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut“, betont die engagierte Bürgerrechtsaktivistin. Wenngleich die Tatsache, dass sie für ihren beharrlichen Einsatz geehrt werden würde, die Sintezza nicht völlig unerwartet traf. „Mir war schon vorher zu Ohren gekommen, dass ich eine Auszeichnung erhalten soll“, sagt sie lachend. Allerdings war ihr nicht bekannt, um welche es sich handelt. Dass ihr nun von Dr. Peter Kurz die Staufermedaille in Gold in einer Feierstunde im Rathaus überreicht wurde, war für die 72-Jährige folglich dann doch eine Überraschung. Immerhin wird das runde Ehrenzeichen mit dem Thronbild von Kaiser Friedrich Barbarossa auf der Vorderseite als „besondere persönliche Auszeichnung des Ministerpräsidenten für Verdienste um das Land Baden-Württemberg und seine Bevölkerung“ in der wertvollsten goldenen Ausführung nur selten verliehen. „Ich sehe diese Ehrung aber nur im Zusammenhang mit meinem Mann Reinhold“, macht Ilona Lagrene deutlich. Und fügt hinzu: „Er hat mich bei meiner Arbeit immer unterstützt.“ Zudem haben beide auch viele Jahre gemeinsam gegen die Ausgrenzung und Diskriminierung der Sinti und Roma angekämpft – bis Reinhold Lagrene im November 2016 verstorben ist.

Als Tochter von Überlebenden des Holocaust wurde die stets freundliche und zugewandte Frau 1950 in Heidelberg geboren. Ihre Familie zählte zu jenen Angehörigen der Minderheit, die am 16. März 1940 von den NS-Schergen auf dem Hohenasperg bei Stuttgart zusammengepfercht und von dort in Ghettos und Konzentrationslager im besetzten Polen verschleppt worden waren. Ihre Eltern überlebten den Völkermord – allein mütterlicherseits aber wurden 18 Angehörige ermordet.

„Das Leid ihrer traumatisierten Eltern und der ganzen Familie brachte Sie schon früh dazu, sich in der Menschenrechtsarbeit zu engagieren“, fasste Oberbürgermeister Peter Kurz in seiner Laudatio zusammen. „Ilona Lagrene hat als Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg Pionierarbeit geleistet und gemeinsam mit vielen anderen dafür gekämpft, dass der Holocaust an unserer Minderheit von der Bundesregierung anerkannt wurde“, würdigte Romani Rose, Vorsitzender des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma sowie des Zentralrates, ihr Wirken. Sie habe nicht nur die Gründung des Zentralrates vor mehr als 40 Jahren vorangetrieben, sondern „ist heute ein Anker unserer Arbeit und weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus eine geschätzte und geachtete Persönlichkeit“

Schon früh haben Ilona und Reinhold Lagrene begonnen, die Überlebenden der rassischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu befragen, um die Erinnerung an das schreckliche Leid veröffentlich zu machen und damit dem Vergessen zu entreißen.

Von ganz besonderer Bedeutung sind für die ausgezeichnete Sintezza, die seit 1972 mit ihrer Familie in Mannheim lebt, dabei Gedenktafeln und Gedenkorte, deren Etablierung meist hartnäckig erstritten werden musste. „Dadurch wird das Unrecht, das unseren Menschen, insbesondere den Ermordeten angetan wurde, sichtbar.“ Und die Worte, die mit dieser öffentlichen Zeichensetzung verbunden sind, „kann man nicht einfach wieder wegwischen“, beschreibt sie ihre Motivation für diese Form der erinnerungspolitischen Arbeit. Die Gedenktafel am Bahnhof in Asperg etwa konnte erst 1995 – nach dreijähriger Auseinandersetzung mit der Deutschen Bahn – eingeweiht werden. Im Mai 1993 war bereits in der Heidelberger Steingasse ein Steinrelief realisiert worden, das an die Heidelberger Opfer des Völkermordes an der Minderheit erinnert.

Dorthin möchte Ilona Lagrene auch am 16. Mai die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des von ihr vor vielen Jahren initiierten Stadtrundgangs führen, der um 17 Uhr am Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma seinen Anfang nimmt. Vor ihren ehemaligen Wohnungen in der Steingasse, der Kleinen Mantelgasse und der Pfaffengasse erzählt sie dann vom Schicksal der Familien Reinhardt, Lehmann, Winter und Steinbach. Im Anschluss daran wird zudem eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Sonderausstellung „Was heißt hier Minderheit?“ in der Bremeneckgasse 2 stattfinden, bei der Vertreterinnen und Vertreter der vier nationalen Minderheiten von den Besonderheiten ihrer eigenen Gruppen, aber auch von der gemeinsamen Arbeit und den Anliegen des Minderheitenrates berichten.

„Ich werde mich so lange engagieren, wie es mir möglich ist“, versichert Ilona Lagrene. „Das hat für mich oberste Priorität.“